„In Kürze erreichen wir… – bitte denken Sie an Ihr Hand- und Reisegepäck. Ausstieg in Fahrtrichtung rechts.“
Sie fährt hoch. In der wohligen Wärme des Zuges und dem Geräuschteppich von murmelnden Menschenstimmen muss sie wohl eingenickt sein. Um sie herum raffen Menschen hektisch ihre Habseligkeiten zusammen. Vom kleinen Rucksack bis zum Überseekoffer. Nein, hier muss ich noch nicht raus, bemerkt sie. Ein paar Stationen trennen sie noch von ihrem Ziel. Aber lang, lang ist es nicht mehr.
Sie malt sich die Bilder in ihrem Kopf aus. Am Bahnsteig abgeholt werden. Die Weihnachtsdekoration bestaunen. Lichterketten, Weihnachtssterne, Tannenbaum. In ihrem kleinen Studierendenzimmer – da war es doch etwas karg. Wenn auch nicht ungemütlich. Es wird nach Kerzen riechen, nach Keksen, vielleicht sogar nach Kamin. Und auch, wenn diesmal wohl kein Spaziergang im Schnee drin ist – irgendwie ist doch alles wie früher. Als hätte sich nichts verändert.
Driving home for Christmas – nach Hause kommen – gerade an Weihnachten ist das für mich ein ganz besonderes Gefühl.
Put my feet on holy ground – Weihnachten – ja, besonders diesen Tag im Jahr verbinde ich wohl ganz besonders mit bestimmten Orten. Sehe mich schon jetzt in der Kirchenbank sitzen, den Blick auf die Krippe und in zufriedene, aber auch abgehetzte, bekannte und fremde Gesichter. Besonders der Moment, wenn wir in die abgedunkelte Stube kamen und dort der geschmückte Tannenbaum mit den Kerzen stand und sich zu den Weihnachtsliedern drehte. Das ist wohl eine Weihnachtserinnerung, die ich nie vergessen werde. Ich sehe mich unterm Tannenbaum die Geschenke auspacken, als wäre ich wieder ein Kind. Am Klavier Weihnachtslieder vor mich hinklimpern.
Diese und noch mehr Orte kommen mir in den Sinn, wenn ich an Weihnachten denke.
Und so hat wohl jede und jeder von uns seine Vorstellungen im Kopf. Die Bilder, Geräusche und Gerüche, die zum ganz persönlichen Weihnachten gehören, wie unterschiedlich das auch aussehen mag. Und so ist uns zwar allen an diesem Tage ein Kind geboren, Gott Mensch geworden – darauf kommt es schließlich an. Doch wie sich das anfühlt, was wir dabei empfinden, an was wir denken – das hängt doch auch damit zusammen, wo wir dieses Weihnachtsfest verbringen.
Orte beeinflussen uns und unser Leben. Menschsein – das geht nicht im Vakuum. Mensch ist man immer irgendWO.
Wir verbinden Orte mit Gefühlen. Manche erfüllen uns mit Freude – manche mit Angst.
Wir fahren an bestimme Orte, die wir besonders mit Ruhe und Entspannung verbinden, um Urlaub zu machen. Wir gehen an bestimmte Orte, um zu beten.
Wir sind an bestimmten Orten aufgewachsen, die dazu beigetragen haben, dass wir der Mensch sind, der wir nun gerade sind.
„In Kürze erreichen wir… – bitte denken Sie an Ihr Hand- und Reisegepäck. Ausstieg in Fahrtrichtung rechts.“
Nun ist sie also endlich da. Lange ist es her. Während der letzten Stationen haben sich ein paar Sorgen eingeschlichen in die Gedanken. Was, wenn die Begrüßung nicht so herzlich ausfällt wie erwartet. Was, wenn noch nichts geschmückt ist? Die Liebsten gar nicht so viel Zeit haben? Schlechte Laune herrscht am Heiligen Abend?
Weihnachten schürt auch Erwartungen. Genau wie die Orte, die ich vollgestopft habe mit positiven Erinnerungen an all die schönen Momente, die ich mit ihnen verbinde. All die Bilder in meinem Kopf, die nach all dem Stress des bisherigen Semesters so viel Hoffnung für eine Ruhepause versprechen.
Deshalb möchte ich mit den Worten enden, die diesen 4. Advent überschreiben:
Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Eure Güte lasst kundsein allen Menschen! Der Herr ist nahe! Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. (Phil 4,4-7)
Egal, an welchem Ort wir sind und egal, ob dieser Ort uns mit Freude erfüllt oder mit Unwohlsein:
Der Herr ist nahe! Darum geht es an diesem 4. Advent. Bald, ganz bald ist Weihnachten. Der Tag, an dem Gott Mensch geworden, an dem er uns ganz nahe gekommen ist.
Und wenn all unsere Erwartungen enttäuscht werden sollten, wenn das Licht etwas schwächer, der Kamin weniger warm und die Stimmung weniger harmonisch ist, als erhofft, so bleibt doch dies: Der Herr ist nahe.
Sandra (SR Kommunikation)